27.02.2015

Rückblick auf den ersten Praktikumsmonat

Das erste Praktikum für das praktische Jahr hat bereits begonnen. Ich arbeite in einer psychiatrischen Klinik und bin in einem kleinen, sehr netten Team gelandet. Eine ideale Einstiegsstelle für den Spitalalltag.

Nun kann ich bereits auf fast einen Monat Praktikumszeit zurückschauen und habe einige Erfahrungen gesammelt. Ich habe mir angewöhnt, jeden Tag aufzuschreiben was ich (neues) gemacht habe - das hilft mir, zu fokussieren und herauszufinden, was ich noch sehen möchte. Und zu dokumentieren, wann ich da war (stempeln muss ich nämlich nicht). Die meisten Aufgaben und Einblicke habe ich mir auf Eigeninitiative organisiert.

Ich hatte einige Vorbehalte gegenüber der Psychiatrie, die nicht bestätigt wurden, wie zum Beispiel:

  • gefährliche Patienten: ich fühlte mich nie von einem Patienten bedroht. Auch wenn ich ausnahmsweise alleine mit dem Patienten im Zimmer war. Normalerweise ist nämlich immer irgendwer von der Pflege mit dabei - bei Arztgesprächen aber auch körperlicher Untersuchung.

Manche Vorurteile der Psychiatrie gegenüber wurden klischeehaft erfüllt:
  • erster Arbeitstag, Einstieg direkt in die "Morgengruppe": alle Patienten (plus Angestellte) sitzen in einem Kreis und erzählen, wie das Wochenende war
  • in der Kantine bekomme ich das Gefühl nicht los, dass der Unterschied zwischen Patienten und Angestellten nicht sooo gross ist
  • nach der ersten Arbeitswoche fragt mich die Psychologin: "Wieso arbeitest du eigentlich hier? Du bist so normal!"
Soweit zu den Klischees. Ansonsten verlief dieser Monat sehr ruhig für mich. Ich muss mich nicht überarbeiten (die Assistenzärzte sind dennoch mind. 10h pro Tag auf Abteilung). Meine praktischen Aufgaben waren:
  •  Dokumentation (Arztzeugnis, Verlaufseinträge, Behandlungsplan, Kreuzeln des Patientenzustandes bei Ein- und Austritt, Stammdaten) 
  • Mithilfe in der Psychoedukation (den Patienten wird ihre Erkrankung inklusive Medikation näher gebracht)
  • Mithilfe bei wissenschaftlichen Arbeiten (Übersetzung und Case Report)
  • körperliche Untersuchung der Patienten, MMSE und DemTect
  • Patientenanmeldung für CT, MRI, ambulante Therapien, Labor 
  • ... Kaffeeholen war bisher nicht dabei ;-)
 Vor allem profitieren als Praktikantin durfte ich bei folgendem:
  • Computerkurs (für das Patientendaten- System) 
  • Einblick in Achtsamkeitsgruppe und IGT (kognitives Training) 
  • Oberarztvisiten und Arztgespräche: Bei den Arztgesprächen war ich jeweils dabei und durfte mich auch einbringen, direkt eines selber leiten jedoch noch nicht. Der Fokus in den Gesprächen liegt bei der Anamnese (es ist eine Akutstation), fokussierte Therapiegespräche habe ich bislang noch nicht erlebt. 
  • Weiterbildungen: Sucht & Psychoanalyse (sehr interessant!). Sowie ein Vortrag von einem Forscher - da bin ich rausgelaufen weil es wieder eine dieser abstrakten und völlig unrelevanten Vorlesungen war. Davon hatte ich während dem Studium genug. 
Langweilig ist es mir nie geworden, ich bin immer irgendwie beschäftigt. Sonstige Medizinstudenten im praktischen Jahr habe ich bislang noch nicht kennen gelernt. Generell habe ich den Eindruck, vor lauter Rapporten mit dem Pflege- und Ärzteteam überhaupt nicht zum Arbeiten zu kommen. Während der Patientengespräche dürfen zudem in der Psychiatrie nicht direkt Verlaufseinträge gemacht werden - die Dokumentation erfolgt also erst danach. Und in den meisten Fällen sehr knapp. Uns wurde im letzten Semester eingebläut, dass Dokumentation unheimlich wichtig ist und alles, was nicht dokumentiert nicht gemacht wurde. Deswegen beobachte ich mit gewisser Beunruhigung diese sehr mangelhafte Dokumentation. Ich würde am liebsten alles aufschreiben um mich abzusichern (keine Suizidalität zum Beispiel jedes Mal). Aber das ist wahrscheinlich "typisch Anfänger". Ausserdem liegt es mir manchmal während dem Gespräch auf der Zunge, den Patienten praktische Tipps zu geben oder offensichtliche Falschannahmen zu klären. Meine zuständige Assistenzärztin findet das erfrischend, aber nun ja, so läuft es normalerweise nicht. Die Patienten sind tatsächlich leider zu krank oder kognitiv zu eingeschränkt, um das überhaupt zu verstehen... 

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